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#1 2021 - Corona in Deutschland - irgendwie und ziemlich so, wie unser Fußball

Aktualisiert: 3. Apr. 2021

Eigentlich wollte ich mir das ja nicht mehr anschauen: Eine Fußballnationalmannschaft, gespickt mit Spielern, die allesamt für das, was sie tatsächlich zur Gemeinschaft beitragen, maßlos überbezahlt sind, und die schon seit langem nicht mehr zu verstehen scheint, wie es mir geht und warum ich diesen Sport so liebe. Aber gut, es ist Mittwochabend und ich habe aktuell nichts Besseres zu tun.


Es ging ja dann auch ganz gut los. Der Ball lief gut in den eigenen Reihen und das Passspiel schien recht früh zu verdeutlichen: Hier spielt ein Weltmeister und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir wieder einmal allen gezeigt haben, was wir können und wer wir sind. Schließlich stehen da auf dem Platz ja ganz große Namen und Meister ihres Faches.


Als es nach etwa 25 Minuten und gefühlt immer noch dem gleichen Spiel weiterhin 0:0 und vergleichsweise chancenlos stand, kamen bei mir erste Zweifel und leichte Müdigkeitsgefühle auf. Immer dann, wenn es hätte ernst werden können, also wenn es eines Torabschlusses oder einer wirklich zündenden Idee bedurft hätte. Nichts. Pass nach links von Havertz, zum Gegner, Pass irgendwohin von Sané, seltsam bemühtes Anrennen von Goretzka, Gündogan und Can – und der sollte doch eigentlich so weit da vorne gar nicht auftauchen.


Kurz vor dem Halbzeitpfiff kam es dann, wie es kommen musste oder, wie ich insgeheim schon vorhergesehen, um nicht zu sagen düster erwartet hatte, zu dem einen erfolgreichen Gegenangriff des Gegners. 0:1.


Aber klar, kann mal passieren, dachte ich, spätestens in der 60. Minute werden wir das korrigiert haben. Auch wenn ich schon lange nicht mehr an die Fähigkeiten unseres Bundestrainers glaube, der Jogi wird das in der Kabine schon irgendwie richten.

Nach der Pause allerdings das gleiche Bild, nur irgendwie noch mehr vom Gleichen. Noch schnelleres Passen, Druck ausüben, Dribbeln und immer wieder Anrennen. Doch am Ergebnis wollte sich nichts ändern. Keine Tore. Nun konnte man es auch an der Körpersprache einiger Spieler erkennen. Wenn es nach 60. Minuten nicht läuft, dann erodiert der Glaube daran, dass es überhaupt noch laufen könnte. >>Wir sind ja sooo schlecht, was können wir denn überhaupt noch?<< und, >>Der Trainer muss weg!<< Ich gebe zu, ich habe auch so gedacht.


Über die Stärke des Gegners wurde kaum gesprochen. Ist ja auch ein Fußballzwerg, Nummer 67 auf irgendeiner Weltrangliste (haben wir die nicht kürzlich auch in Frage gestellt?) Der Zwerg hat leidenschaftlich gekämpft und sich unserer Angriffe tapfer erwehrt und, wenn es sein musste, flexibel angepasst. Da war mit unseren immer gleichen Mitteln kaum ein Durchkommen. Und zu allem Übel war dieser Zwerg nun auch in der Lage, jede sich ihm bietende Nachlässigkeit in unserer Verteidigung auszunutzen. Ganz einfach, indem er schnell die von uns geschaffenen Lücken besetzte und es einfach besser verstand, dass es nur auf das Ergebnis ankommt. Die Anzahl gespielter Pässe, die schnellsten Sprints, die Ballbesitzquote, all das zählt nicht, wenn man am Schluss schlicht und ergreifend nur an den mehr geschossenen Toren gemessen wird.


Die Parallelen zu unserem Umgang mit dem Virus

Das eigentliche Dilemma dabei ist nicht, dass Vieles nicht so läuft, wie wir uns das gewünscht hätten und das Ergebnis zugegeben nicht zu dem passt, was wir uns erwarten dürfen. Ja, es werden die immer gleichen Mittel eingesetzt, auch wenn diese erkennbar nicht ausreichend gut wirken. Es mangelt an Fantasie, Spielfreude und einer Vision. Auf Experten wird nicht (mehr) gehört und die vielen Verantwortlichen sind längst nicht mehr steuerbar. Das (aktive) Coaching des Trainers ist verhalten oder kommt in der Regel zu spät, vor allem wenn Auswechselungen erforderlich wären.


Vielmehr, und das erscheint mir schlimmer, sind wir bequem geworden. Bequem in unserer allzu selbstgefälligen Kritik. Bequem in der Erwartung, dass es irgendwer schon richten möge. Bequem in der Haltung, wir hätten den Erfolg dauerhaft verdient und für alle Probleme müsse eine einfache und schnelle Antwort zu finden sein.


Wir fühlen uns wohl in der Rolle von 80 Millionen Virologen, oder eben Bundestrainern. Wir haben es schon immer gewusst und würden es auf jeden Fall besser machen, wenn man uns nur ließe. Das Geschehen betrachten wir dabei bequem von unserem Sofa aus und üben wohlfeil Kritik. Dazu genügen uns in der Regel ein paar wenige oberflächliche Fakten und die Suche nach den oder dem Schuldigen. Und das ist natürlich auch der Trainer. Wer auch sonst?


Allerdings, wenn es stimmt (ich habe das recherchiert), dass sich nach einem Jahr Pandemie mindestens ein Drittel der in Deutschland lebenden Bürger zunehmend wohl fühlen in ihrem neuen Dasein zu Hause, finanziell gut gestützt durch den Staat. Wenn es stimmt, dass nahezu jeder 2. junge, aufstrebende Akademiker sich eine Karriere als Beamter wünscht. Wenn es stimmt, dass wir, Männer wie auch Frauen, immer weniger arbeiten wollen - und das heißt nicht mehr und nicht weniger als etwas für die Gemeinschaft zu leisten. Dann wird mir angst und bange. Was ist aus dem Land der Bastler und Tüftler geworden? Was ist aus dem Land der Unternehmer geworden? Was ist aus dem Land der Ärmelhochkrempler geworden?


Vermutlich waren wir all das, was man uns Deutschen so gemeinhin zuschreibt, nie wirklich oder immer nur für eine kurze Zeit, eben immer dann, wenn es nicht anders ging. Ich ahne, dass wir schon immer zu sehr die Organisation, das von Oben und das Fremdbestimmte mochten. Vollkasko-Mentalität, Struktur, Leitkultur. Alles, nur keine Unsicherheit, unklare Zuständigkeiten, neue Wege gehen. Diese Haltung funktioniert in normalen Zeiten recht gut, aber was heißt schon normal? In Zeiten großen Wandels, in Zeiten von Bedrohungen, in Zeiten von Krisen und Unsicherheit herrschen andere Gesetze und andere Erfolgsmuster. Und der Wandel ist das neue Normale.


Wenn man gestern {Anm. Mittwoch 31.03.2021} ab etwa der 60. Minute in die Gesichter der Fußballer geschaut hat, nicht aller, aber doch recht vieler, dann hat man gespürt, dass sich genau diese Verunsicherung schleichend Bahn bricht. Es mehrten sich die suchenden Blicke nach dem, der nun die Verantwortung trägt. Dem, der die Wende schafft. Nur, wer und was sollte diese eine Veränderung herbeiführen?


In der Pandemie haben wir gelernt, dass für starke Impulse und Verhaltensänderungen entweder so etwas wie Angst oder ein starkes Inzentiv, also eine erstrebenswerte "Belohnung" erforderlich sind. Beides scheint uns und den Profis im Fußball abhanden gekommen zu sein.


Was befürchten wir? Was treibt uns an? Wofür übernehmen wir (eigene) Verantwortung? Und was sind wir persönlich bereit zu riskieren, etwas zu unternehmen, ohne auf andere zu zeigen?


Ich wünsche Euch allen ein besinnliches Osterfest!

PS: Geht es nicht bei diesem Fest gerade auch um einen, der einst etwas gewagt hatte?


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